Vor
dem Schlafengehen schaut sich Janine noch einmal die Fotos des
Nachmittags auf dem Instagram-Profil ihrer neuen Freundin an. Es
hatte so viel Spaß gemacht und sie bereute ein wenig, warum sie
Lorena nicht früher kennenlernen wollte.
Lächelnd
legte sie ihr Handy auf den Nachttisch und machte es sich in ihrem
Bett gemütlich. Mit einem wohligen Gefühl schlief sie selig ein.
Doch
sie ahnte nicht, dass jemand vor ihrem Fenster wartete. Lautlos stieg
er in das Zimmer, ohne das Mädchen zu wecken. Es war Sir Nix. Er
stellte sich ans Bett der Schülerin und beobachtete, wie sie ruhig
atmetete. Dann beugte er sich über sie und gab ihr einen Kuss auf
den Mund. Es durchzuckte das Mädchen, wovon sie aufwachte und die
Augen erschrocken aufriss. Doch als sie sich in ihrem Zimmer
umblickte, war da niemand mehr. Sie schüttelte den unangehmen
Gedanken von sich und drehte sich um, um weiter zu schlafen. Sie
wusste nicht, dass der Schattenritter ihr die Saat der Dunkelheit
eingepflanzt hatte.
Am
nächsten Morgen freute sich Lorena auf die Schule. Sofort stellte
sie sich zu ihrer neuen Freundin und die beiden quatschten los.
„Wollen
wir heute wieder ins Einkaufszentrum?“, fragte Lorena schließlich.
„Sehr
gerne“, antwortete Janine lächelnd.
Als
es später zur großen Pause klingelte, lief die Fünfzehnjährige
direkt auf ihre Schulkameradin zu, doch diese schien sie plötzlich
nicht mehr zu beachten. Sie ging einfach an ihr vorüber und
ignorierte sie.
Hatte
sie mich nicht gesehen?
Nach
dem Unterricht fragte sie dann ihre Freundin kleinlaut, ob die
Verabredung noch stünde.
„Na
klar“, antwortete Janine mit ernster Stimme, als ob ihre gute Laune
wie verflogen war. „Lass uns gehen.“
Den
ganzen Weg über sprach Janine kein Wort, was Lorena sehr wunderte.
Sie schob es aber auf die Mathearbeit, die sie heute zurückbekommen
hatten. Wahrscheinlich hatte Janine eine schlechte Note geschrieben
und daher beschloss die Schülerin, ihre neue Freundin erst einmal in
Ruhe zu lassen.
Im
Einkaufszentrum gingen sie dann wieder in die kleine Boutique mit den
schönen Kleidern. Janine griff zu einem schwarzen Minikleid mit
Glitzerpartikeln und sagte:
„Das
möchte ich anprobieren.“
„Oh
ja“, erwiderte Lorena, „das wird dir sicherlich sehr gut stehen.
Ich mach dann ein Foto von dir.“
Doch
Janine blieb ernst und schaute Lorena mit heruntergezogenen
Augenbrauen an. Dann schnappte sie sich das Kleid und verschwand in
der Umkleidekabine.
Als
sie herauskam, sah sie völlig verändert aus. Irgendwie viel älter.
Als ob sie beim Anprobieren zu einer richtigen Frau geworden war.
Lorena fiel die Kinnlade herunter.
„Du
sieht wunderschön aus“, sprach sie schließlich, als sie ihre
Worte wiederfand.
Doch
Janine bedankte sich nicht für das Kompliment. Stattdessen sagte
sie:
„Mir
gefällt das Kleid. Das behalte ich.“
Die
Fünfzehnjährige war erstaunt, da ihre neue Freundin noch am Vortag
behauptete, ihr Taschengeld würde für so etwas nicht ausreichen.
Außerdem war das schwarze Minikleid sehr teuer.
„Kannst
du es dir denn leisten?“, wollte Lorena wissen.
„Das
geht dich nichts an“, antwortete Janine bissig, sodass Lorena
zusammenfuhr.
Dann
schnappte sich die blonde Schülerin ihren Rucksack mit den
Schulsachen und lief einfach in Richtung Ausgang.
„Was
hast du vor?“, rief ihr Lorena hinterher.
Doch
Janine antwortete nicht und verließ das Geschäft, ohne zu bezahlen.
Die Fünfzehnjährige lief ihr schnell hinterher, griff ihrer
Schulkameradin an die Schulter und sagte:
„Du
kannst es doch nicht einfach stehlen.“
Da
holte das Mädchen in dem schwarzen Kleid aus und schubste Lorena mit
voller Wucht von sich.
„Lass
mich in Ruhe“, brüllte sie wütend.
Da
ertönte die Alarmsirene der Boutique und die Verkäuferin kam auf
sie zugerannt.
„Hey!“,
rief sie. „Kommen Sie sofort zurück.“
Doch
Janine rannte einfach davon, sodass ihr Lorena nur entsetzt
hinterherschauen konnte.
Was
ist mit ihr?
„Kennen
Sie die Frau?“, wollte die Verkäuferin von der Schülerin wissen.
Lorena
erhob sich vom Boden, schaute nach wie vor in die Richtung, in der
Janine gerannt war und antwortete beinahe flüsternd:
„Ich
denke nicht.“
Und
tatsächlich wusste sie nicht mehr, wer ihre Schulkameradin
eigentlich war. Gestern war sie noch so nett und freundlich. Heute
war sie fies und gemein. Sie hätte niemals gedacht, dass sie im
Stande war, ein Kleid in einem Geschäft zu stehlen. Aber vielleicht
hatte sie sich geirrt und Janine hatte ihr am Vortag nur etwas
vorgespielt. Vielleicht waren ihre Menschenkenntnisse so schlecht,
dass sie auf ein billiges Schauspiel hereinfiel.
Da
die Verkäuferin Lorena einfach stehen ließ und zurück in die
Boutique ging, wo sie nach dem Telefon griff, um wahrscheinlich die
Polizei zu rufen, ging Lorena einfach. Sie war froh, dass sie keine
Aussage über ihre Schulkameradin machen musste. Sie hätte nämlich
nicht gewusst, ob sie sie verraten oder beschützen sollte. Verwirrt
machte sie sich auf den Heimweg.
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